Erfahrbarer Atem nach Prof. Ilse Middendorf®
Wir wir leben, so atmen wir
Unser Atem reagiert wie ein feiner Seismograph auf alles, was uns innerlich bewegt oder was von innen oder außen auf uns einwirkt. Es gibt keine Körperfunktion, die vielfältiger, unmittelbarer, empfindlicher und wirksamer auf körperliche oder seelische Veränderungen reagiert als der Atem.
Der Atem strebt nach gesunder Ganzheit
Wie ein großer Rhythmusgenerator in der Tiefe des Gehirns arbeitet der Atem als Teil eines organischen Netzwerkes wie ein Dirigent, der seinen Rhythmus an das Orchester des Organismus weitergibt und dafür sorgt, dass alle "Klänge" und Rhythmen sich immer wieder zu einem großen Ganzen vereinen.
Atem, Bewegung und Bewusstsein bilden eine Einheit
Im zentralen Nervensystem sind die motorischen Steuerungsprozesse sowohl der Bewegungsmotorik der Skelettmuskulatur als auch der vegetativen Organmotorik mit den Prozessen der Großhirnrinde - also auch mit allen Bewusstseins- und Empfindungsvorgängen - auf das Innigste verknüpft: In der Formatio Reticularis, einem Netzwerk tief im Stammhirn, in dem auch das Atemzentrum eingebettet ist, strömen Informationen von allen Bereichen des Organismus zusammen, werden im Wechselspiel zu einer Ganzheit verwoben und wirken wieder rückwirkend steuernd auf vegetative und motorische Zentren zurück - vor allem aber auch auf das Großhirn, denn nur durch den ständigen Strom "weckender" und aufmerksamkeitslenkender Impulse aus der Formatio Reticularis ist überhaupt ein Bewusstsein möglich. Somit wird verstehbarer, wie "Atem" und "Bewusstsein" miteinander verbunden sind: Jeder kleinste Reiz, jede Erregung von außen oder von innen verändert die Art und Weise zu atmen, - und das kann sehr differenziert erlebt und empfunden werden. Umgekehrt wirkt dieses kultivierte Empfindungsbewusstsein wie in einer Rückkopplungsschleife bis in die Tiefen der vegetativen und motorischen Steuerungsprozesse zurück.
Bücher zum Thema:
Wie wir atmen, so leben wir
Als Menschen können wir nicht nur "natürlich" bleiben. Wir werden weitgehend kulturell und sozial geprägt und sind damit dem Risiko ausgesetzt, uns von den natürlichen Rhythmen und Regulationen unseres Lebens weit zu entfernen. Mit Hilfe des "Erfahrbaren Atems" können wir das Empfindungsbewusstsein für die heilenden Kräfte in uns wieder entwickeln und lernen, uns aus der emotionalen Fremdbestimmung zu lösen.
Sanft und gewaltfrei
Im "Erfahrbaren Atem" nach Prof. Ilse Middendorf® wird der natürliche menschliche Atemrhythmus - Einatem, Ausatem und Atemruhe - zur Grundlage einer Reihe systematischer Übungen oder auch Unterstützungsmaßnahmen, in denen nicht der Atem direkt, sondern das Empfindungsbewusstsein so geschult wird, dass die reorganisierende Kraft des Atems wirksam werden kann. Ohne Druck und Gewalt wird in kleinen, sanften Schritten eine Bewusstseinshaltung angestrebt und aufgebaut, die für Arbeit und Erholung, Kreativität und Freude, Herausforderung und Lust gleichermaßen wichtig ist - ein schwebender Fluss zwischen Hingabe und Achtsamkeit, zwischen Lassen und Machen, zwischen Intensität und Gelöstheit. Aus dieser Mitte entwickelt sich unsere Lebendigkeit.
Text: Josefine Dripke
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