Die Sexualität ist eine der wesentlichen menschlichen Grundbedürfnisse, die für die meisten Menschen eine große Bedeutung für ihre allgemeine Lebenszufriedenheit hat. Nicht umsonst ist das Thema Sexualität in den Medien allgegenwärtig und das Gesprächsthema Nummer 1. Große Erwartungen werden an die Sexualität geknüpft und umso größer ist die Enttäuschung, wenn sie nicht erfüllt werden.
Was die Sexualität so kompliziert macht ist, dass sie sich kaum von unserem Willen beeinflussen lässt. Unsere Gefühlswelt und speziell unser Liebesleben werden von einem sehr alten Teil unseres Gehirns dirigiert, dem limbischen System. Dieses schert sich nicht um unsere Lebensqualität, also darum, ob wir glücklich sind, sondern stellt drei evolutionäre Ziele in den Vordergrund: unser eigenes Überleben, das Überleben der Spezies durch genetische Vielfalt und die Gewährleistung für das Aufziehen unseres Nachwuchses.
Neben diesen genetischen Faktoren spielen auch gesellschaftliche und familiäre Einflüsse eine große Rolle, wie wir unsere eigene Sexualität erleben und ausdrücken. Diese sind u.a. frühkindliche Traumata, verletzende Erfahrungen (wie sexuelle Übergriffe, Mobbing usw.) und körperliche Probleme. Die Sexualität birgt also ein großes Potential an Freude aber auch an Problemen und Störungen. Die Sexualberatung oder -therapie hilft bei Schwierigkeiten mit dem eigenen Sexualleben, die von den Betroffenen als Störungen empfunden werden.
Da Sexualität in der Regel auf einen Partner gerichtet und ein sehr wesentlicher Bestandteil einer Beziehung ist, können ungelöste sexuelle Probleme langfristig eine Beziehung beeinträchtigen. Deshalb ist die Sexualberatung oder -therapie oft ein Bestandteil der Paartherapie.
Was ist Sexualberatung?
Die Sexualberatung ist meist der erste Schritt bei der Beschäftigung mit sexuellen Problemen. Sie verhilft dem Ratsuchenden zu mehr Klarheit bezüglich seiner Probleme und gibt ihm eine erste Hilfestellung. Eine Sexualberatung kann im Rahmen einer Paartherapie, eines Einzelgesprächs oder in einer Gruppe geschehen. Die Methoden reichen von Gesprächen über systemische Aufstellungen und Partnerschaftsseminare bis hin zu körperorientierten Übungen wie z.B. Tantraseminare oder Massageworkshops. Sexualberater ist keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Oft handelt es sich um Psychotherapeuten, psychologische Heilpraktiker oder Trainer mit speziellen Ausbildungen und Qualifikationen. Während einer Beratung wird auch geklärt, ob eine Sexualtherapie erforderlich ist.
Was ist Sexualtherapie?
Kann ein vorliegendes Problem im Rahmen der Sexualberatung nicht gelöst werden, wird meist als nächster Schritt eine Sexualtherapie vorgeschlagen, die sich intensiver mit den Ursachen einer sexuellen Störung beschäftigt. Die Sexualtherapie wurde in den 1960er Jahren von den amerikanischen Forschern William Masters (Gynäkologe) und Virginia Johnson (Psychologin) begründet, die sich vorher viele Jahre erstmals mit der Erforschung des sexuellen Verhaltens beschäftigt haben. Der Fokus liegt auf der Wiederherstellung der Sexualkontakte in einer Beziehung bzw. die individuelle Aufarbeitung der Ursachen einer sexuellen Störung. Die Behandlung erfolgt nicht auf organischer Ebene (falls dies notwendig ist, wird zu einem Arzt überwiesen) sondern ausschließlich mit psychologischen Mitteln. Häufig angewandte und von den Krankenkassen anerkannte Verfahren sind die Verhaltenstherapie, die Gesprächstherapie, die Psychoanalyse und die Tiefenpsychologie. "Sexualtherapeut" ist keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Meist handelt es sich um ausgebildete Mediziner, Psychologen oder Sozialpädagogen, die sich durch eine Weiterbildung auf den Bereich Sexualtherapie spezialisiert haben.
Was ist Sexualpädagogik?
Sexualpädagogen vermitteln Wissen über Themen wie Liebe, Gefühle, Fortpflanzung, körperliche Entwicklung, männliche und weibliche Körper, Erotik und allen Formen der Sexualität, sexueller Lust und Selbstbefriedigung. Sie arbeiten sowohl im Kinder- und Jugendlichenbereich als auch in der Erwachsenenbildung. Die Sexualpädagogik überschneidet sich stark mit der Sexualberatung, ihr Schwerpunkt liegt auf der theoretischen und praktischen Wissensvermittlung. Sexualpädagogen sind meist ausgebildete Pädagogen mit Fortbildungen im Bereich der Sexualpädagogik, aber auch Praktizierende mit Expertenwissen in bestimmten Bereichen.
Themen einer Sexualberatung oder Sexualtherapie
Fragen rund um die Sexualität beschäftigen uns Menschen seit Generationen. Obwohl wir in einer freizügigen Gesellschaft leben, in der es kaum noch sexuelle Tabus gibt, sind die eigenen sexuellen Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche ein sehr intimer und sensibler Bereich geblieben, über den wenig gesprochen wird. Ein erster wichtiger Schritt bei sexuellen Störungen ist es deshalb die Probleme in Worte zu fassen. Die folgenden Erscheinungsformen sexueller Störungen treten häufig auf:
- ein fehlende Partner für das Erleben der Sexualität
- Libidoschwäche oder Lustmangel (Mangel oder Verlust des sexuellen Verlangens)
- Vorzeitige Ejakulation durch fehlende Kontrolle (Ejaculatio praecox)
- Vaginismus und Dyspareunie (Verkrampfung der vaginalen Muskulatur)
- Orgasmusstörungen (ausbleibender oder verzögerter Orgasmus)
- Sexsucht (gesteigertes sexuelles Verlangen)
- Erektionsstörungen (Impotenz)
- Sexualphobie (Ekel und Furcht vor dem Geschlechtsverkehr)
- Unerfüllter Kinderwunsch
- Körperliche und medizinische Störungen (z.B. ausgelöst durch Alkohol- oder Drogenmißbrauch, Übermüdung, Stress und berufliche Überforderung, Medikamente, Rauchen, Hormonstörungen, Prostataoperationen. Hier ist die Zusammenarbeit mit einem Arzt notwendig)
- Störungen der Geschlechtsidentität (Transgender)
- Leidensdruck bei Paraphilien (Exhibitionismus, Fetischismus, Voyeurismus, Sadomasochismus, Sodomie usw.)
- Untersuchung
Untersuchung und Diagnose
Vor Beginn einer Sexualtherapie führt der Therapeut eine sorgfältige Untersuchung und Diagnose durch. Meist in einer oder mehreren Sitzungen mit dem Betroffenen, manchmal auch zusammen mit dem Partner. Folgende Elemente sind meist Bestandteil einer Untersuchung
- Sexualanamnese (Geschichte und Erfahrungen der eigenen sexuellen Entwicklung)
- Familienanamnese (Beziehung zu Vater und Mutter und zu Geschwistern, Beziehung der Eltern, Vorbilder, religiöse Körperfeindlichkeit, tabuisierende Werte und Normen, Umgang mit Angst und Schuld, frühe Sexualisierung und andere prägende Erlebnisse)
- aktuelle Beziehung (Kennenlernen, weiterer Verlauf, aktueller Stand)
- aktuelles Sexualleben (Lust, Erregung, Kontakt, Orgasmus)
Desweiteren wird vom Therapeuten abgeklärt, ob der sexuellen Problematik eine psychische Erkrankung (z. B. Depression, Psychosen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen usw.) zugrunde liegt. Und ob diese im Rahmen der Sexualtherapie behandelt werden kann oder zuerst medizinisch und/oder psychotherapeutisch versorgt werden muss. Im Rahmen der Behandlung einer Grunderkrankung können dann auch die sexuellen Probleme thematisiert werden.