Ausweglose oder katastrophale Bedrohungssituationen, in denen sich ein Mensch ohnmächtig ausgeliefert fühlt, lösen tiefe Angst und Verzweiflung aus. Ob es sich um einen Anschlag wie in New York oder Paris handelt, ob Naturkatastrophen über Südostasien oder Fukushima hereinbrechen, ob sich schwere Zug- oder Autounfälle ereignen oder Missbrauchsfälle ans Tageslicht kommen - bei den Betroffenen leidet die Seele. Sie verspüren Kummer und Verzweiflung.
Meist sind bei traumatischen Situationen eigene Bewältigungsmechanismen wie z.B. Kampf oder Flucht nicht möglich und der Mensch befindet sich am Limit dessen, was er seelisch ertragen kann. In der ersten Schockphase „retten“ ihn körpereigene Botenstoffe, die eine gefühlsmäßige Trennung vom Erlebten bewirken oder Gedächtnisinhalte vorübergehend „löschen“. Die instinktiven Überlebenskräfte ermöglichen ihm zwar, eine Extremsituation zu überstehen, doch die Folgen sind meist gravierend.
Etwa zwei Drittel der Betroffenen erholen sich mit der Zeit von der traumatischen Belastung. Die Überwindung des Traumas hat sie sogar wachsen lassen. Die restlichen Leidtragenden bleiben traumatisiert und erleben wiederkehrende, negative Langzeitfolgen wie plötzliche Erinnerungen an das Ereignis (z.B. in Albträumen), Vermeidungshaltungen (z.B. ängstliche Vermeidung von Zügen nach einem Zugunfall) oder eine erhöhte Erregbarkeit und Schreckhaftigkeit. Ihr autonomes Nervensystem befindet sich quasi in ständiger Alarmbereitschaft. Diese Merkmale bilden zusammen ein Störungsbild, das als posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnet wird.
Ob sich bei einem Menschen ein Ereignis traumatisierend auswirkt, hängt nicht nur von den äußeren Umständen, sondern auch sehr stark von seinem inneren Erleben ab. Notärzte oder Helfer, die berufsbedingt daran gewöhnt sind, schwere Verletzungen zu sehen, werden beim Anblick eines Unfallopfers weniger erschüttert sein als andere Menschen.
Menschen, die durch traumatische Erfahrungen belastet sind, brauchen besondere Behandlungsangebote, die ihnen helfen, die Folgen eines psychischen Schocks zu überwinden. Das Vertrauen in die eigenen Bewältigungsfähigkeiten soll dabei wiedererlangt werden. Vorrangiges Ziel ist es, allmählich wieder ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit zu finden, wieder “zu sich” zu kommen und das Vertrauen ins Leben zurückzugewinnen.
Für die benötigte Dauer der Therapie ist die Zeitspanne zwischen dem Ereignis und dem Behandlungsbeginn von enormer Bedeutung. Je früher das traumatische Geschehen therapeutisch aufgearbeitet wird, desto kürzer ist die Therapie. Je länger der Vorfall zurück liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Trauma verfestigt hat und deshalb eine längere Behandlungsdauer benötigt wird.
Methoden der Traumatherapie
Die Psychotherapie hat im Laufe der Zeit verschiedene Methoden entwickelt, die sich als hilfreich bei der Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen erwiesen haben. Ihnen gemeinsam ist meist das erneute Durchleben der traumatischen Geschehnisse, das Entwickeln von Ressourcen, die zur Zeit des traumatischen Geschehens nicht zur Verfügung standen, sowie die Integration der abgespaltenen Erlebnisse. Die Klienten sollen nach einer Traumatherapie in der Lage sein, die traumatischen Symptome zu kontrollieren, zu begrenzen oder aufzulösen.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie verwendet verschiedene Verfahren zur Bewältigung von traumatischen Erlebnissen. Beim Konfrontationsverfahren werden die Betroffenen schrittweise wieder an die traumatische Situation herangeführt, etwa an den Ort der Katastrophe oder imaginativ in ihrer Vorstellung. Dies wird so lange wiederholt, bis deren Angst abnimmt und sie sich an das Trauma “gewöhnt” haben. Bei einem weiteren Verfahren, dem “Stress-Impfungs-Training”, lernen Traumapatienten sich rechtzeitig auf Situationen einzustellen, in denen die alten Ängste wieder auftreten können (siehe auch Verhaltenstherapie bei Therapeuten.de).
EMDR®
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (in der internationalen Abkürzung = EMDR®) ist eine von Dr. Francine Shapiro 1987-1991 entwickelte traumabearbeitende Psychotherapiemethode. Mit Hilfe von Lichtreflexen wird eine Serie von Augenbewegungen, ähnlich den REM-Phasen beim Träumen, ausgelöst. Diese Bewegungen bewirken eine Veränderung der Gehirnströme und leiten beim Patienten einen Heilungsprozess ein (siehe auch EMDR bei Therapeuten.de).
Brainspotting
Brainspotting ist eine körperfokussierte Methode der Behandlung und Verarbeitung emotionaler und/oder körperlich belastender Themen und Traumata auf neurophysiologischer Basis. Sie basiert unter anderem auf der Erkenntnis, dass unsere Blickrichtung bestimmt, wie stark wir uns emotional mit einem Thema verbinden. Zu jedem Thema findet sich ein Punkt, bestimmt durch die Blickrichtung, an dem die dazugehörigen Emotionen und Körperempfindungen maximal spürbar sind und auch eine Blickrichtung, bei der das Thema in maximaler Entspannung betrachtbar ist. Durch dieses Phänomen steht Therapeut und Klient gewissermassen ein „emotionaler Schieberegler“ zur Verfügung, so dass einer möglichen emotionalen Überflutung durch das zu verarbeitende Thema durch eine entsprechende Blickrichtung begegnet werden und die Erregung herunter reguliert werden kann (siehe auch Brainspotting bei Therapeuten.de).
Somatic Experiencing
Somatic Experiencing (SE)-Trauma-Arbeit ist eine körperpsychotherapeutische Methode zur Bewusstmachung, Überwindung und Integration von Schock oder traumatischen Erlebnissen. Traumatische Stresssymptome entstehen, weil das Nervensystem in der Gefahrensituation stecken bleibt. Es fehlt die Entwarnung, dass die Gefahr vorüber ist. Durch SE-Trauma-Arbeit wird der Zustand des Überwältigtseins vollendet, indem Ressourcen entwickelt werden, die zur Zeit des traumatischen Geschehens nicht zur Verfügung standen. Damit kann dem Menschen geholfen werden, das belastende Erlebnis abzuschließen und die immense Ladung an gebundener Energie aus dem Nervensystem zu entlassen. So kann die Fähigkeit der Entspannung zurückkehren und die Energie wieder dem Leben zufließen (siehe auch Somatic Experiencing bei Therapeuten.de).
Begleitetes Systematisches Wiedererleben
Begleitete Systematische Wiedererleben macht sich das Erlebnisgedächtnis zunutze, dessen Inhalte in chronologischem Ablauf, mit Bildern, Tönen, Sprache, Gerüchen, Körper- und Seelenempfindungen gespeichert sind. Der Betroffene lernt das Erlebnisgedächtnis zu aktivieren, so dass er vergangene schmerzliche Situationen genauso wiedererlebt, als ob sie gegenwärtig stattfänden. Gleichzeitig ist er sich jedoch bewusst, dass es lediglich eine Erinnerung ist und er in Wirklichkeit gerade sicher und geschützt ist. Durch das systematische Wiederholen des Erlebten werden die schmerzlichen Erfahrungen des Traumas bewältigt, das heißt, die abgespaltenen und verdrängten Inhalte des Erlebten werden ins Bewusstsein integriert, so dass sich Symptome, unangenehme Gefühle und Zustände auflösen können (siehe auch Begleitetes Systematisches Wiedererleben bei Therapeuten.de).
Gestalttherapie
Bei der Gestaltherapie stehen die aktuellen Erfahrungen und Gefühle der Klienten im Vordergrund, wobei der Fokus auf der Körperwahrnehmung liegt. Widersprüche zwischen körperlichen und sprachlichen Verhalten werden aufgezeigt. Mittels verschiedener spielerischer oder kreativer Methoden können Gefühle, Konflikte oder Erlebnisse in der Therapiesituation ausgedrückt und vergegenwärtigt werden. Ziel ist es, die psychische Gesundheit wieder herzustellen, indem abgelehnte Erfahrungen wahrgenommen, in der Therapiesituation intensiv wiedererlebt und schließlich akzeptiert werden (siehe auch Gestalttherapie bei Therapeuten.de).
Psychodynamische Psychotherapie
Die Psychodynamische Psychotherapie umfasst spezielle Psychotherapiemethoden, die auf den Theorien der Psychoanalyse begründet sind. Sie werden insbesondere in der Arbeit mit Trauma-Patienten im stationären Rahmen (Anwendung im Krankenhaus) eingesetzt, d.h. für eine meist kurze Behandlungsdauer. Die bekannteste Methode ist die Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie (PITT) nach Luise Reddemann (siehe auch Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie bei Therapeuten.de).
Medikamentöse Behandlung
Bei bestimmten Störungsbildern oder ab einem bestimmten Schweregrad der Symptome kann eine medikamentöse Therapie der Traumafolgestörungen sinnvoll sein. Dabei werden neben Psychotherapie auch Psychopharmakaeingesetzt. Da diese jedoch nicht ursächlich wirken, können sie die Traumtherapie nicht ersetzen, sie aber manchmal vorbereiten oder begleiten.